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- Magazin Ausgabe 2
Die Siegerin
Eine sehr sympathische Begegnung mit Spaßfaktor.Unter Zeitdruck und kurz vor Weihnachten schiebt die Gewinnerin des PORSCHE TENNIS GRAND PRIX 2017 unseren Termin noch zwischen Aufbautraining und Pressetermine.
Unter Zeitdruck und kurz vor Weihnachten schiebt die Gewinnerin des PORSCHE TENNIS GRAND PRIX 2017 unseren Termin noch zwischen Aufbautraining und Pressetermine.
"Ich habe mich sehr stark weiterentwickelt, habe immer an mir gearbeitet, an meinem Spiel und auch an meinen Einstellungen."
Keine Sekunde ist bei ihr etwas von Hektik oder Unruhe zu spüren. Eine sehr sympathische Begegnung mit Spaßfaktor.
Laura Siegemund – eine Karriere mit Höhen und Tiefen. Doch gerade das macht sie als Mensch aus. Sie, die ihre Profi-Tenniskarriere bereits beendete, studierte Psychologie mit dem Abschluss Bachelor of Science, erwarb die DTB-A-Trainer-Lizenz und kämpfte sich dann als Profisportlerin bis ganz nach oben. Bis ins Fed Cup-Team, bis zu den Olympischen Spielen in Rio, bis Platz 26 auf der Weltrangliste, bis zum Einzeltitel des WTA-Turniers in Stuttgart – und dann kam diese schwere Verletzung: ein Kreuzbandriss.
Aber Laura Siegemund wäre nicht Laura Siegemund, wenn sie nicht noch einmal alles gäbe, um wieder ganz vorne mitzumischen. Was höchste Disziplin, extreme Willensstärke und eine positive Grundhaltung erfordert. Also genau ihr Ding.
Wir, die VIACOR Polymer GmbH, waren nun erstmals der offizielle Platzbauer für den PORSCHE TENNIS GRAND PRIX 2017. Wir sind stolz, dass eine Lokalmatadorin auf unserem PORPLASTIC RedClay pro triumphierte. Jetzt haben wir unendlich viele Fragen zu Courts und zum Leben einer Tennisspielerin aus dem Schwabenländle.
VIACOR: Was ist aus Sicht der Tennisspielerin wichtig für den Tennisbelag in Bezug auf Sandplätze?
Laura Siegemund: Ich spiele sehr gerne auf einem Sandplatz und grundsätzlich ist es wichtig, dass ein Platz eben ist. Auf Sand verspringen Bälle generell gerne, da durch die Laufbewegungen Sandanhäufungen entstehen. Es gibt sehr harte Sandplätze wie in Paris, bei denen der Sand festgepresst ist, dadurch sind sie sehr schnell. Meinetwegen kann ein Platz ruhig mehr Sand haben und dadurch etwas langsamer sein.
Wichtig sind die Linien, die sollten nicht rausstehen. Linien gehören zum Feld und wenn der Ball wegen zu hochstehender Linien komplett vespringt und nicht mehr spielbar ist, ist das sehr schade. Eine Linie sollte das Spiel im besten Fallenicht negativ beeinträchtigen.
Außerdem sollte ein Platz mög-lichst gleichmäßig sein. Schwierig wird es, wenn manche Stellen hart und stumpf und andere total rutschig sind. Das ist dann gefährlich für den Körper. Ein Hartplatz muss beispielsweise eben sein – das ist nicht immer der Fall. Es gibt Hartplätze mit Wellen drin oder sogar mit Steigung. Wichtig ist auch hier einfach die Konstanz eines Platzes – immer und überall gleichmäßig und eben.
V: Gab es Unterschiede zwischen den Tennisplatzbelägen vom PORSCHE TENNIS GRAND PRIX 2016 und 2017?
LS: Ja, es ist schon jedes Mal anders. Es gibt nicht nur Unterschiede zwischen dem Vorjahr und dem neuen Jahr, sondern auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Plätzen auf der Anlage. Der Centre-Court ist immer etwas anders als die Plätze in der Schleyerhalle, und die sind wiederum anders als die Trainingsplätze. Als Profi ist man da sehr feinfühlig, aber es gehört zum Beruf, sich in dieser Hinsicht anpassen zu können, flexibel zu sein und sich nicht verrückt zu machen, auch wenn man sich zu Beginn eines Matches oder Trainings erst in den jeweiligen Platz "einfühlen" muss.
V: Wie verhielt sich der Platz vom Start des Turniers bis zum Ende?
LS: In 2016 war der Platz extrem rutschig. Da war es nicht einfach zu spielen, insbesondere, wenn man eine laufstarke Spielerin ist wie ich. Da kommt man manchmal aus den Ecken nicht so schnell wieder zurück. Dieses Jahr war der Platz von Anfang an deutlich weniger rutschig, in den ersten Tagen war er noch etwas hoppelig, viele Bälle sind versprungen und der Sand war noch nicht wirklich fest auf dem Untergrund. Wenn man dadurch an den äußeren Stellen des Platzes Schollen heraustritt, weil der Sand zu locker ist, kann das schnell sehr gefährlich werden und birgt ein hohes Verletzungsrisiko. So ein Platz muss sich nun mal erst „legen“ und festtreten. Je mehr darauf gespielt wurde, umso ebener wurde der Belag im Verlauf der Woche.
V: Diese Plätze scheinen dir aber Glück zu bringen.
LS: Ich denke, es gehört in unserem Beruf dazu, mit Herausforderungen, die durch die Spielbedingungen gestellt werden, umzugehen und klarzukommen. Es gibt Plätze, die liegen einem mehr, und andere, die liegen einem weniger. In jedem Fall ist es nur professionell, zu akzeptieren wie es eben ist, und das Beste daraus zu machen. Vielleicht habe ich in dieser Hinsicht eine überdurchschnittlich hohe Akzeptanz und versuche, die Situation, egal welchen Belag der Platz hat, wie die Wetterbedingungen oder andere Umstände sind, zu meinen Gunsten zu nutzen, anstatt mich daran aufzureiben.
In den letzten beiden Jahren konnte ich mich im Verlaufe der Turnierwoche in Stuttgart gut an den Belag gewöhnen und habe mich mit jedem Match wohler darauf gefühlt. Es ist schon ein sehr spezieller Belag. Es ist zwar ein Sandplatz, aber eben einer in der Halle und dadurch doch sehr andersartig als die gewöhnlichen Sandplätze, die wir aus der Sommersaison draußen kennen.
V: Wie ist das Verhalten auf dem Platz nach der Verletzung und gibt es noch eine Hemmschwelle?
LS: Natürlich ist die Rehabilitation nach einer solchen Verletzung ein langer und aufwendiger Prozess. Um nach einem Kreuzbandriss zurückzukommen, muss man vom ersten Tag an hart arbeiten, zuerst vor allem physiotherapeutisch, dann zunehmend durch Kräftigung und Aufbautraining und dann eben wieder auf dem Platz, um die natürlichen tennis-spezifischen Bewegungen wieder zu trainieren. Ich stehe seit geraumer Zeit wieder auf dem Platz und arbeite an meinem Spiel. Natürlich ist anfänglich immer noch eine Hemmschwelle da, der Körper ist viele Bewegungen nicht mehr gewöhnt und man muss ihn behutsam wieder an die Belastungen heranführen. Aber es macht auch großen Spaß, sich Schritt für Schritt wieder seiner vorherigen Form zu nähern. In so einer Verletzungsphase lernt man den eigenen Körper wieder auf eine neue Art kennen – und schätzen! –, man trainiert sehr feinfühlig und mit Bedacht. Das ist eine tolle Erfahrung für sich. Mir macht es vor allem Freude, wenn ich jetzt zunehmend wieder an meinem Spiel feilen kann, die Vorsicht bei den Bewegungen immer mehr verliere und wieder frei spielen kann. Da merkt man erstmal wie viel Spaß die Bewegung – auch die Anstrengung auf dem Platz – einem eigentlich macht und wie sehr man das vermisst hat.
V: Von dir gibt es nur Bilder einer positiven strahlenden Laura. Gibt es auch die traurige Laura?
LS: Ich bin insgesamt tatsächlich ein sehr positiver Typ, aber natürlich ist auch bei mir nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Einen Menschen, bei dem das so ist, gibt es nicht. Gerade im Leistungssport liegen Ups und Downs oft sehr eng beieinander. Und natürlich hat man gerade bei so einer schweren Verletzung im Laufe des langen Reha-Prozesses auch viele schwierige Momente zu bewältigen. Aber ich denke, wenn man es schafft, über sie hinwegzukommen, kann man noch stärker aus ihnen hervorgehen. Auch – oder vielleicht gerade – die schwersten Zeiten bieten einem meiner Meinung nach Möglichkeiten zum persönlichen Wachstum, wenn man sie richtig zu nutzen weiß. Ich habe in dieser Verletzungsphase viel an mir gearbeitet, nicht nur an meiner körperlichen Rehabilitation, sondern auch im mentalen Bereich, an meinen Einstellungen. Ich versuche, keine Energie zu vergeuden, indem ich Dingen nicht nachtrauere, die nicht mehr zu ändern sind. Ich konzentriere mich lieber auf die Möglichkeiten, die mir noch offenstehen.
V: Die Geschichte als ewiges Talent zu gelten und lange den Durchbruch nicht geschafft zu haben und Dich jetzt spielen zu sehen erscheint, als wärst du heute eine andere Person. Ein zu 100 % fokussiertes Kraftpaket. Was ist der Unterschied?
LS: Ganz so würde ich es nicht sagen. Ich habe schon immer sehr konzentriert und fokussiert gespielt und hatte schon immer sehr viel Energie auf und neben dem Platz. Auch die Kreativität, das Andersartige in meinem Spiel waren schon immer da. Aber es hat sich eben nicht derartig in Ergebnissen gezeigt und dann schon gar nicht auf einer großen Bühne, auf der es Medieninteresse geweckt hätte. Zwischen Platz 50 und Platz 100 ist spielerisch kein allzu großer Unterschied, die Qualitätsdichte ist mittlerweile enorm im Spitzentennis. Aber das mediale Interesse ist natürlich ein ganz anderes, wenn man auf Platz 50 statt auf Platz 100 der Welt steht. Es fehlte mir mit Sicherheit lange die Gelassenheit, die Dinge geschehen zu lassen und trotz großen Ehrgeiz zu akzeptieren, dass man Erfolg nicht erzwingen kann. Und das ein oder andere Mal hatte ich vielleicht auch nicht das Quäntchen Glück,
das man eben auch braucht, um in bestimmten Situationen das nötige Selbstvertrauen zu erlangen und dadurch den Durchbruch zu schaffen. Aber ich würde nicht sagen, ich bin ein neuer Mensch. Ich habe mich einfach sehr stark weiterentwickelt, habe immer an mir gearbeitet, an meinem Spiel und auch an meinen Einstellungen.
LS: Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch und im Schwabenland liegen meine Wurzeln. Aber durch den Profisport und schon in früher Kindheit durch den Beruf meines Vaters bin ich sehr viel in der Welt herumgekommen und habe schon an verschiedenen Orten dieser Welt gelebt - “ von Saudi-Arabien, über Indonesien bis hin zu verschiedenen Städten in Deutschland. Diese Erfahrungen erweitern den eigenen Horizont, man kann die Heimat, die Lebensweise und den Lebensstandard zuhause in Deutschland besser einordnen, wenn man die Welt gesehen hat.
Das empfinde ich als große Bereicherung. Ich bin sehr dankbar für den Lebensstandard, den wir in Deutschland genießen dürfen, und schätze unsere Kultur im Schwabenländle sehr. Gerade wenn ich sehr viel auf Turnieren unterwegs bin und zwischendurch immer nur ein paar wenige Tage in Stuttgart verbringe, erfreue ich mich an den kleinen Dingen, die meine Heimat ausmachen: am netten Bäcker um die Ecke, der richtig leckere Brezeln macht, an einem Straßenfestle in der Nachbarschaft oder daran mal richtig schön in einem Gasthof schwäbisch essen zu gehen.
V: Hast du hier in Stuttgart ein Lieblingslokal?
LS: Ja, wir sind öfter in der Alten Hupe. Dort gibt es eine gut bürgerliche Küche mit Rostbraten und viele anderen hausgemachten schwäbischen Gerichten. Ich achte natürlich sehr auf meine Ernährung, aber ab und zu sollte man sich etwas gönnen dürfen. Das ist dann für mich ein kleines Gutsle, dort was Leckeres zu essen.
V: Was ist Dein Lieblingsgetränk?
LS: Ich mag Holunderschorle, gerne auch mit Minze, also so eine Art antialkoholischer Hugo.
V: Trinkst Du gar keinen Alkohol?
LS: Nein, keinen Tropfen. Es schmeckt mir absolut nicht und abgesehen davon, ist es für den Sport einfach nicht gut, in keiner Hinsicht. Als Jugendliche haben Freunde natürlich öfter versucht, mich dazu zu animieren mal was zu probieren. Aber ich bin sehr standhaft, wenn ich eine Meinung zu etwas habe, und ich habe mich nie verführen lassen.
V: Musstest du als Kind bzw. als Teenager auf vieles verzichten?
LS: Ja klar, als Leistungssportlerin hast du bereits in jungen Jahren ein sehr spezielles Leben. Ohne es wertend zu meinen: Ein normales Leben ist das nicht. Der Sport gibt einem sehr viel, aber man zahlt an anderer Stelle natürlich einen hohen Preis dafür. Meistens geht es dabei um das Privatleben, um Freundschaften und Zeit für Hobby. In diesen Bereichen muss man große Abstriche machen, wenn man im Sport weit kommen möchte.
V: Wie sieht deine Ernährung an einem ganz normalen Tag aus?
LS: In jedem Fall ein gehaltvolles Frühstück – idealerweise ein Müsli mit Trockenfrüchten und Honig oder Ähnliches.
Ich esse sehr viel Salat und versuche, die Kohlenhydrate in Grenzen zu halten. Je nach Belastung esse ich Kohlenhydrate dazu, aber immer in Kombination mit Gemüse und Eiweiß. Wenn ich wie jetzt im Kraftaufbau stehe, gibt es viel Fleisch und Fisch. Generell ernähre ich mich sehr ausgewogen und eher nach dem Prinzip "Portion-Control“ also nicht so große Mengen.
V: Dein Idol ist oder war Steffi Graf, hast du sie mal kennengelernt?
LS: Kennengelernt ja, aber eher flüchtig, ohne engeren Bezug. Ich hatte Steffi Graf früher spielen sehen, hier beim Porsche-Grand-Prix, als er noch in Filderstadt ausgetragen wurde. Sie hat mir als Charakter imponiert, weil sie immer sehr diszipliniert und konzentriert war, keine Allüren hatte und sich ganz aufs Sportliche fokussierte. Als Kind wurde man zu der Zeit, als sie ihre Karriere beendete, immer gefragt, wer denn nun für einen Vorbild sei. Da musste man etwas parat haben, daher habe ich oft Steffi Graf genannt, weil sie für mich wegen ihrer Arbeitseinstellung noch am ehesten als Vorbild galt. Ich habe ihr nie wirklich spielerisch nachgeeifert, weil ich wusste, dass mein Spiel ganz anders ist als ihres. Ich wollte schon als Kind eher mein eigenes Ding machen, wollte nicht sein und auch nicht spielen wie jemand anderes, sondern meine eigenen Maßstäbe setzen. Aber das hätten die Leute wahrscheinlich aus dem Mund einer Zwölfjährigen eher seltsam gefunden.
V: Wie war die Berufung ins Fed-Cup-Team und das Erleben in der Mannschaft?
LS: Es war total spannend und schon immer ein Traum von mir, dem Nationalteam anzugehören. Ich hatte dieses Gefühl, für mein Land zu spielen, das erste Mal
bei den Olympischen Spielen in Rio und durch den Fed Cup dann wieder. Ich empfinde es als eine besondere Ehre, die Nationalfarben zu tragen, und stehe dann irgendwie mit einem anderen Gefühl auf dem Platz. Das ganze Jahr sind wir als Einzelkämpferinnen unterwegs und hier geht es dann mal ums Team. Deine Leistung als Beitrag für ein Gesamtwerk. Das empfinde ich als eine schöne Abwechslung und es macht mir viel Spaß. Ich sehe es als Bereicherung für den Rest der eigenen, individuellen Saison.
V: Wie waren die Olympischen Spiele in Rio unter den ganzen anderen Sportlern?
LS: Die Olympischen Spiele waren ein wirklich großartiges Gefühl. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als ich dort dabei sein und das olympische Gefühl miterleben durfte. Sich für so eine Veranstaltung zu qualifizieren macht einen natürlich stolz auf die eigenen vorherigen Leistungen und ist Belohnung und Honorierung für harte Arbeit über viele Jahre.
Die Atmosphäre im olympischen Dorf und bei den verschiedenen Wettkämpfen - nicht nur bei den eigenen! ist etwas ganz Besonderes. Ich habe die Zeit dort sehr genossen, habe sie in mich aufgesaugt und mir nach meinen eigenen Wettkämpfen so viele verschiedene Sportarten wie möglich angeschaut.
Ich liebe einfach Sport, nicht nur Tennis. Tennis ist zwar die Sportart, die ich zu meinem Beruf gemacht und mit der ich am meisten Zeit verbracht habe, aber ich schaue mir unglaublich gerne alle Arten von Sportveranstaltungen an und betreibe auch gerne selber andere Sportarten. Bei der Olympiade gibt es die volle Auswahl - ein Paradies für mich. Ich fand es sehr interessant, sich mit Sportlern anderer Sportarten und Nationalitäten auszutauschen. Da kann man sehr viel für sich lernen und den eigenen Aufwand, das eigene Training und die Wettkämpfe nochmal ganz neu einordnen. Das fand ich extrem spannend und bereichernd.