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open BIM - Der Architekt im digitalen Zeitalter

BIM - ist das die Lösung?

Möglicherweise „stirbt“ die vielschichtige und kreative Bauweise durch die dadurch fehlenden Betrachtungen der Architekten, nämlich der erlernten 360°-Sichtweise auf die komplette Planung.

Frank Will: Fortschritt bedeutet Veränderung – das gilt für jedes Berufsfeld.

Wir kennen die großen Bauwerke aus der Antike über die Renaissance bis hin zu den modernen Wolkenkratzern. Aber nicht nur die Bauwerke ändern sich – auch die Planung derer.

1963 war das von Prof. Georg Nemetschek frisch gegründete „Ingenieurbüro für das Bauwesen“ eines der ersten, das Programme zur Berechnung Finiter Elemente bei hoch belasteten, unregelmäßig gestützten Platten einsetzte. Das war der Start für die Digitalisierung im Bauwesen.

Hier im Industriegebiet Fasanenhof, einem Stadtteil von Stuttgart, ist man ganz vorne, quasi in der ersten Reihe des Fortschritts dabei. Frank Will, der Bauphysik studierte und zur richtigen Zeit den Sprung ins kalte Wasser wagte. Frank Will ist einer, der sehr erfolgreich die Wege von 2D zu 3D im CAD, Visualisierung und Building Information Modelling (kurz BIM) bestreitet.

Mit den Einblicken in die Sichtweise von Frank Will erweitern sich auch unsere Kenntnisse und wir sind ihm dankbar für die offenen Worte.

„3D & BIM – Chance & Herausforderung"

VIACOR: Ihre Handelsvertretung bietet verschiedene Software-Lösungen, BIM-Beratung und Schulungen für Architekten an. Wie kamen Sie zu diesem Tätigkeitsfeld?

Frank Will: Nach erfolgreichem Studium in der Bauphysik musste ich feststellen, dass der Beruf leider negativ behaftet war. Der Bauphysiker wurde damals meist als Gutachter bei Streitfällen eingesetzt und nicht wie heutzutage als beratender Ingenieur für energetisches und vor allem nachhaltiges Bauen. Die ökologischen Aspekte des Planens hätten mich vielmehr interessiert.

Über eine Stellenanzeige der Nemetschek Programmsystem GmbH als angestellter Vertriebsmitarbeiter folgte der Quereinstieg 1994 in die interessante BAU IT-Branche mit Zukunftsperspektive. Die IT hatte noch nicht diesen Stellenwert wie heute, aber die CAD Software-Lösungen für Architekten und Ingenieure verkauften sich gut. Es war der große Umstieg vom Zeichenbrett in die digitale Planung für Architekten. Der erste wichtige Schritt in die Digitalisierung.

Im süddeutschen Raum war der Vertrieb von Nemetschek sehr erfolgreich. Daraufhin gründete Frank Will im Jahr 1997 die „Nemetschek Handelsvertretung Frank Will“ in Stuttgart-Fasanenhof. In diesen Büroräumen bietet Frank Will bis heute IT-Lösungen, BIM-Beratung und Weiterbildungen für folgende Sparten: 60% Architekten, 30% Ingenieure und 10% Unternehmen (Facility Management).

V: Welche Software-Lösungen bieten Sie an und hätten Sie auch auf das „falsche Pferd“ setzen können? Ähnlich Quark Xpress zu Adobe?

FW: Prof. Georg Nemetschek war ein Vorreiter & Pionier. Von Beginn an hatte er einen Vorsprung in der Umsetzung der CAD- (Computer Aided Design) Lösung. Die Denkweise des Architekten und die des Bauingenieurs wurden in einer Software-Lösung gebündelt. Es entstand Allplan.

Parallel dazu entwickelte sich das DXF-Format als das "Standarddatenaustauschformat" für die Baubranche (2D). Dies ist aber kein unabhängiges Format, wie z.B. JPG, sondern ein natives Herstellerformat. Mit dieser Strategie versuchte der Hersteller aus Übersee, die Baubranche an sich zu binden, ähnlich dem PDF von Adobe im Grafikbereich. Die buildingSMART hat in den letzten Jahren ein neues herstellerneutrales Datenaustauschformat entwickelt – das IFC-Format! IFC ist ein 3D-Format und beinhaltet z.B. Eigenschaften von Bauteilen und Objekten. Die Standards des IFC 4.0 werden zudem in Zukunft eine gesetzliche Planungsgrundlage, verankert in der DIN EN ISO 16739.

Der Nemetschek Ansatz war also der BIM-Zeit voraus. Allplan ist seit 1984 in der Lage, mit allen Sichtweisen der verschiedenen Planer transparent und kompatibel zu planen. Heute gelingt es perfekt – im Hinblick auf Open BIM – mit einem herstellerneutralen, europäischen Standard zu arbeiten. Nemetscheks Allplan, das schon damals als „Mercedes“ unter den Architekten-Lösungen galt, ist Stand heute am stärksten in der DACH-Region, vor allem im süddeutschen Raum, verbreitet und bietet als komplette BIM-Lösung viele Vorteile für Architekten, Ingenieure und Unternehmen. Um die Frage schlussendlich zu beantworten, habe ich mit der Tiefe der Allplan-Lösung und den komplexen Anforderungen an den Planer definitiv auf das richtige "Pferd" gesetzt.

V: Hat sich das Tätigkeitsfeld des Architekten durch die Digitalisierung vereinfacht oder nur verändert?

FW: Mitte der 90er wandelte sich der Beruf Architekt - Das Reißbrett wurde digitalisiert. Die Arbeiten waren weitgehend dieselben und die Eingabe noch in 2D, aber der Workflow war wesentlich schneller. Der digitale Einfluss wie z.B. Copy & Paste und Duplizierung wirkte sich sehr schnell auf die Architekturpläne aus. Die Tätigkeit und Arbeitsprozesse an sich änderten sich durch das neue Medium nicht gravierend.

Ein Architekt arbeitet traditionell nach den Leistungsphasen 1-9 und wird auch hierfür nach HOAI honoriert. Heute wünschen sich Bauherren getrieben durch das Thema BIM schon in den frühen Leistungsphasen 2/3 ein durch Kostenaussagen belastbares 3D-Gebäudemodel. Auch um zusätzlich früh Fehler zu erkennen und zu vermeiden werden diese Modelle zur Betrachtung und Prüfung auf Kollisionen zwischen den Gewerken verwendet. Der Architekt ist jedoch erst in der Vorentwurfs-/ Entwurfsphase, was eine Komprimierung des Entwurfsgedanken und grundsätzliche Überforderung des gesamten Entwurfsprozesses zur Folge hat. Diese bisherigen „besonderen Leistungen“ der BIM-3D-Entwurfsplanung kann der Architekt auch heute gemäß Vereinbarung nach HOAI dem Bauherren in Rechnung stellen. Auf jeden Fall ist die BIM-Planung eine Verschiebung bzw. Anhäufung der Arbeitsleistung in die frühen Leistungsphasen und damit eine der gravierendsten Änderungen für den Architekten.

Eine der neuen BIM-Prozessmethode ist „IPD“, eine integrierte Projektabwicklung, die eine frühzeitige Kombination von Entwurf, Planung, Ausführung und Fertigung beschreibt. Diese ist in den USA von Generalunternehmer mit einem Entwurfs- und Werkplanungsteam die weitverbreitetste Methode. Diese neuen „Teams“ der GUs werden dem Architekten vorzugsweise vorgeschalten, so dass die Projektverantwortung nicht mehr beim Architekten liegt. Das ist eine gravierende Veränderung im Bezug zum Bauherren und im Tätigkeitsfeld. Diese Arbeitsweise kollidiert stark mit der traditionellen Arbeitsweise in Deutschland und würde die Architektenschaft der kleinen bis mittleren Büros vor ein großes Problem stellen. Generalunternehmer in Deutschland sind oft aus Bauunternehmen heraus entstanden und arbeiten sehr wirtschaftlich in Kooperationen. Möglicherweise „stirbt“ die vielschichtige und kreative Bauweise durch die dadurch fehlenden Betrachtungen der Architekten, nämlich der erlernten 360°-Sichtweise auf die komplette Planung. Eine mögliche „Gebäudefabrikation“ wäre die Folge – einer der wichtigsten Faktoren, die der architektonischen Nachhaltigkeit widerspricht.

Man könnte den Wandel der Zeit auch anders formulieren: Die Arbeit eines Architekten geht zu diesem frühen Zeitpunkt von Annahmen aus und eine zu schnelle Umsetzung kann gravierende Folgen haben. Da jedoch die großen Prestigeprojekte zu viel Kosten erzeugt haben und zu lange dauern, gehen Politiker, Bauherren und Investoren auf Nummer sicher und fordern so früh wie möglich das Gebäudemodell, um resultierende Kosten ermittelt zu bekommen. Ein Konfliktpotential, welches zwischen Entwurf und Kosten an damit genau dieser Stelle entsteht.

V: Gibt es Software-Lösungen, die für den Architekten unverzichtbar geworden sind bzw. welche Entwicklung/Veränderung war die am stärksten prägende?

FW: Ja, das CAD-BIM-Programm ist unverzichtbar. Seit den 90er Jahren CAD und seit 5 Jahren BIM. Für die Architekten war die Umstellung von analog zu digital der erste gravierende Einschnitt. Aktuell ist der zweite große Wandel der Digitalisierung im Gange, der noch größere Einschnitt vom 2D- ins 3D-BIM-Zeitalter. Dieser fordert Änderungen der Organisation und Strukturen der Architekturbüros.

V: Ist die gravierendste Veränderung durch die Digitalisierung für den Architekten bereits geschehen oder gibt es zukünftige Entwicklungen, welche den Beruf Architekt noch stärker verändert?

FW: Wie bereits gesagt, ist die jetzt gerade stattfindende Umstellung von 2D- auf 3D-BIM die stärkste Veränderung. Viele Architekten sind noch nicht auf 3D umgestiegen, da es wichtige Faktoren zu überlegen gilt:

• Grundsätzlich ist die Frage: Ist ein ausführendes Büro mit verlässlichen 2D-Plänen, die genau und handwerklich gut umgesetzt werden können, nicht genauso gut? Stand heute fehlt noch der Status Pro und Contra zur letztendlichen erzeugten Gebäudequalität durch BIM, was natürlich viele Skeptiker zum 3D unter den Planern bildet.

• Nur 3D ist keine eierlegende Wollmilchsau – mit Anschaffung, Schulung und Umsetzung muss noch mehr investiert werden. Gerade bei kleinen bis mittleren Büros bedeutet dies einen immensen zeitlichen und finanziellen Kraftakt, um alle BIM-Aspekte zu bedenken und umzusetzen.

• Welche Gebäude sind letztendlich die Besseren? Sind es die 2D oder 3D geplanten Gebäude? 2D wird systematisch von Grund auf geplant, lange ohne Gesicht. Bei 3D bekommt ein Gebäude sofort eine Erscheinung und Wirkung, die in schlechtesten Fall möglicherweise den Bauherren gar nicht anspricht oder auch beim Bauen nicht umsetzbar ist. Oft werden auch in 3D-Entwürfen keine Materialitäten gezeigt, um sich hier Freiräume zu schaffen und sich ganz bewusst noch nicht festzulegen.

• Architekten mit 3D-Visualisierungen wirken im Wettbewerb jedoch moderner und müssen danach auch den Beweis antreten, ihre dargestellten Projekte auch so zu verwirklichen, was dann nicht immer gelingt. Genau das wird dem Architekten immer wieder in den späteren Phasen dann vorgeworfen.

Diese Aspekte und mehr gilt es in Relation zu setzen und Architekten stellen sich zurecht die Frage, wem BIM denn eigentlich nutzt? Kommt nach Deutschland ein Wandel mit Generalunternehmen und „IPD“ oder bleibt die traditionelle Sichtweise der Planungskultur entlang der Leistungsphasen für Architekten bestehen? Das wäre der gravierendste Einschnitt in die Rolle des Architekten im Bauwesen.

Ich persönlich glaube nicht an eine flächendeckende Entwicklung für die bestehenden Planungsbüros und vielschichtigen Planungsarten. „Europa hat historisch gesehen einen traditionellen „Baucharakter“ und möchte die Individualität der Bauwerke auch aus nachhaltigen Gründen nicht einbüßen“. In der aktuellen DIN EN ISO 16739 wurde gerade diese weitere Offenheit des Planungsprozesses im Format IFC 4.0 zu einer gesetzlichen Grundlage für Planungen festgeschrieben, die dann 2020 bindend werden könnte. Damit bekennt sich die Regierung zur vielschichtigen Planungsweise Open-BIM mit offenem Planungs- und herstellerunabhängigem Format.


V: Was mach einen erfolgreichen Architekten aus?

FW: Das kommt natürlich darauf an, was Sie unter einem erfolgreichen Architekten verstehen.

Wichtig ist zum einen, mit dem Bauherren auf einen schöpferischen Nenner zu kommen und dessen Wünsche und die Baukosten einzuhalten. Die Eigenheiten im Verlauf des Projektes frühzeitig zu konkretisieren und einvernehmliche Lösungen zu benennen. Dadurch erhält der Architekt Empfehlungen.

Des Weiteren eine sehr gute nachhaltige Architektur - das Gebäude soll weit über 20 Jahre einem qualitativen hochwertigen Stand entsprechen, energetisch kosteneffizient bleiben und der Gesellschaft eine vielseitige Nutzung & Wertigkeit zurückgeben. Also auch eine hochwertige Gestaltung und gelungene Stadtplanung, die durch wirtschaftliche Gründe heutzutage leider nicht immer Vordergrund stehen.

Erfolg ist Wissen! Aus heutiger Sicht: Wissen in Bezug auf digitale Planungsprozesse und BIM-Workflows. Zum Beispiel ist ein bei uns geschultes Architekturbüro mit dem ersten Tag auf den 3D-Zug und BIM-Workflow aufgesprungen - ohne Kompromisse. Alle Mitarbeiter wurden speziell von uns beraten, geschult und BIM-zertifiziert. Büros dieser Art nutzen den Vorsprung als Vorreiter und sind sehr erfolgreich mit ihrer Vorgehensweise bzgl. dem Bauherren.

V: Wird der Beruf Architekt irgendwann sterben?

FW: Ich denke nicht, hier in Europa werden immer gute Architekten beschäftigt sein. In Deutschland haben die Baumeister wie z.B. Peter Parler schon aus der Historie heraus aufwendig geplant und massiv gebaut. Wir haben eine sehr gute Planungs- und Baukultur. Architektur und Ingenieurskunst „Made in Germany“ ist weltweit für detailverliebte und solide Planungen bekannt. Es gibt kein Studium, welches das Planen und Bauen gesamtheitlicher betrachtet als das der Architektur. Genau das zeigt, dass der Rundumblick — die 360° des Architekten – unabdingbar ist für eine gute Planung.

Möglicherweise werden die Teams sich um den Architekten verändern. So z.B. die interdisziplinäre und modellbasierte Zusammenarbeit mit der Tragwerksplanung innerhalb eines Projektes, was jedoch dem Bauwerk nur gut tut in frühen Phasen.